Wir hatten so viele Pläne und so viele Träume – jeder von uns hatte noch so viel vor. Doch von einem auf den anderen Tag hat sich für uns alles verändert. Ich wurde durch nur eine Meldung aus meiner heilen, rosaroten Welt gerissen und musste schmerzhaft feststellen: Es gibt keine Unendlichkeit für uns.
Der Tod war nie wirklich ein großer Teil in meinem bisherigen Leben. Zum Glück musste ich mich noch nie von einem geliebten Menschen verabschieden. Ich muss auch zugeben, dass ich mir auch nie allzu große Sorgen um meine Liebsten gemachte habe. Der Satz: „Bitte fahr vorsichtig!“ war eher eine Floskel für mich, ohne jeglichen großen Gedanken dahinter. Doch am 08. Juni änderte sich alles für mich. An diesem Tag überhäuften sich die Nachrichten im Fernsehen über einen Unfall in Charlottenburg. Als ich das Alter hörte, musste ich erst mal schlucken, denn das Opfer war wohl in meinem Alter. Als die Moderatorin von Johanna H. sprach und Fotos von ihr gezeigt wurden, wurde mir plötzlich klar: Das ist meine Hanni. Natürlich denkt man im ersten Moment, dass das nicht stimmen kann. Doch wenn dann das Handy klingelt und Kathi, die Schwester von Hanni, anruft, muss wirklich etwas passiert sein. Tagelang hatte ich ihre Stimme noch im Ohr und bekam jedes Mal Gänsehaut und spürte plötzlich eine große Leere in mir. Nach dem Telefonat bin ich zu meiner Familie gefahren. Wie ich dahin gekommen bin? Ich weiß es nicht mehr, weil alles nur so an mir vorbei lief. Während meine Familie weinen konnte, war ich einfach nur geschockt.
Ist das Leben wirklich so schrecklich?
Mein einziger Wunsch war es, dass die Welt kurz mal stehen bleibt! Es sollte keine Stunden, Minuten und Sekunden mehr vergehen! Ich wollte in Ruhe nachdenken, überlegen, was jetzt werden sollte. Und vor allem wollte ich diese Leere und den Schmerz nicht mehr spüren. Die Welt durfte nicht einfach so weitermachen, Hanni war doch weg, wie konnte das Leben einfach weitergehen?! Das Wochenende verbrachte ich damit, Zeitungsartikel über den Unfall auswendig zu lernen. Im Minutentakt aktualisierte ich meine Suche nach neuen News. Ich wollte unbedingt verstehen, was passiert war. Außerdem konnte ich es einfach nicht glauben, vielleicht irren sich alle und Hanni ist doch noch da. Nach einigen Tagen nahm ich all meinen Mut zusammen und besuchte mit meinem Freund die Unfallstelle. Dort verbrachte ich einige Zeit und versuchte den Unfallhergang durch die Artikel nachzuvollziehen. Doch ich konnte es nicht, egal wie oft ich alle Details und Aussagen aus den Nachrichten durchging, alles machte keinen Sinn. So verbrachte ich regelmäßig etwas Zeit an diesem Ort, brachte Blumen vorbei und dachte nach. Nach Wochen kam der Tag, der Tag, wovor ich solche Angst hatte: Die Trauerfeier. Es war plötzlich alles so endgültig und das wollte ich nicht wahr haben! So schrecklich konnte das Leben doch nicht sein! Aber es musste so sein. Die Trauerfeier war wirklich schön, wenn man es so sagen kann, denn ich finde, es ist Hanni gerecht geworden. Es wurden auch einige Videos von ihr gezeigt. Ach, wie schön es war, ihr Lachen zu hören. Wir haben immer so viel gelacht und Spaß gehabt. Nun war diese Zeit vorbei und ich wusste, Hanni würde es sich so wünschen, dass ich wieder zu meinem Lachen und Dauergrinsen zurückfinde. Nur das ist gar nicht so leicht, denn jedes Gefühl von Glücklich sein fühlt sich falsch an. Erst mit der Zeit musste ich lernen, dass mein Leben weitergeht und dass ich auch fröhlich sein kann, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Geholfen aus diesem Loch hat mich vor allem meine Familie und mein Freund, aber ich suchte mir auch Unterstützung aus dem gemeinsamen Freundeskreis von Hanni und mir. Denn wir alle leiden und warum sollten wir unsere Trauer vor anderen verstecken, wenn es ihnen auch so geht? Dabei sollte uns nur bewusst sein, dass jeder von uns anders darunter leidet. Ich kann nur aus meiner Sicht sagen, dass ich mir von einigen aus meinem Umfeld gewünscht hätte, dass sie mich einfach machen lassen. Wenn ich mal leiser werde und ich nicht immer lachen kann, dass ich mich dafür nicht rechtfertigen muss! Und am schlimmsten finde ich Menschen, die versuchen Hanni aus unseren Gesprächen rauszulassen oder plötzlich ihre Tonlage verändern, wenn ich darüber sprechen möchte. Bitte versteht doch, dass ich gerne über meine Freundin rede, sie war einfach wunderbar und ich rede so gerne über unsere schöne Zeit. Und wenn mal eine Träne sich zeigt, nimmt mich einfach in den Arm und lasst mich traurig sein, denn manchmal brauche ich genau das!
Wie eine Berg- und Talfahrt!
Zurzeit befinde ich mich in einem chaotischen Auf und Ab und das muss ich einfach akzeptieren, denn es gehört zur Trauer dazu. Und wenn der Kummer mal zu groß ist, fahre ich gerne mit meinem Freund in den Friedwald, wo Hanni begraben ist. Dort kann ich mir eine Auszeit nehmen, denn es ist so friedlich im Wald und meistens spazieren mein Freund ich noch am Wasser entlang oder füttern die niedlichen Schafe, die dort auf der Weide stehen. Für mich bedeutet dieser Ort ein Moment der Ruhe und ich kann wieder neue Kraft für die Woche schöpfen! Denn nach ca. 7 Monaten, die nun schon vergangen sind, ist mir jetzt erst das Ausmaß bewusst geworden. Hanni kommt wirklich nicht wieder und sie ist anscheinend wirklich tot und das schmerzt. Nur auf Arbeit kann ich meine Gedanken gut ablenken, doch sobald ich in der Bahn oder im Bus sitze, hören meine Gedanken nicht auf, sich zu überschlagen. Selbst in der Nacht finde ich kaum Ruhe, ich mache mir plötzlich über alles und jeden Gedanken und Sorgen. Doch ich weiß, irgendwann wird es mir wieder besser gehen und damit das auch bald passiert, habe ich mich dazu entschlossen mir Unterstützung von außerhalb zu suchen und Dinge zu tun, die mir gut tun. Denn in den letzten Monaten habe ich vor allem eins gelernt, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Prozess von Hanni. Viele in meinem Umfeld fanden es nicht gut, dass ich dort hingehen wollte. Doch ich habe es gemacht und es tat mir gut, weil ich dadurch die Möglichkeit bekomme, den Tathergang zu verstehen und endlich zu begreifen, dass es tatsächlich passiert ist und die Zeit nicht mehr zurück gedreht werden kann.
Die schönen Momente bleiben
Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, ich hätte Hanni noch mal geschrieben, wie lieb ich sie habe und was für ein toller Mensch sie für mich war. Wenn ich an meine Abiturzeit denke, denke ich an meine Hanni-Banani und ich muss lachen, weil es so eine schöne unvergessliche Zeit war. Sie war wie eine große Schwester für mich, auch wenn ich die Ältere bin. Als ich so krank war, war sie für mich da und hat mich einfach nur in den Arm genommen und mich getröstet und gesagt, dass ich alles schaffen kann, was ich mir wünsche. Dazu muss man wissen, dass ich unter totaler Prüfungsangst leide, aber mit Hanni zu lernen, war für mich immer spaßig. Wir haben immer so viel gelacht und sie hat nahezu jeden Moment von uns mit ihrem Handy festgehalten. Deshalb haben wir auch kein normales „ernsthaftes“ Foto, aber dafür bin ich ihr jetzt so dankbar: Denn wenn ich Hanni vermisse und mir die Bilder anschaue, muss ich lachen. Natürlich vermischt sich das Lachen mit Tränen, aber das ist ok, denn ich fühle mich in dem Moment gut. Ich bin so dankbar, dass ich Hanni kennengelernt habe, denn das war reiner Zufall und ich bin so unendlich dankbar, dass ich mich ihre Freundin nennen durfte, denn sie war wunderbar! Seitdem sie nicht mehr an meiner Seite ist, habe ich mein bisheriges Leben noch mal genauer betrachtet und mir vor Augen geführt, was Hanni immer zu mir gesagt hat: Stelle dir immer die Frage, ob du so wie es gerade ist, glücklich bist! Schon seit einiger Zeit fühle ich mich nicht zu 100% zufrieden, deshalb gebe ich mir zurzeit selbst einen Tritt in den Hintern und versuche etwas zu ändern, deshalb lautet mein Vorsatz für dieses Jahr: Einfach im Hier und Jetzt Glücklich sein.
Gastautorin: Franziska Gross
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