Sterben. Ein simples Wort, über das man in meinem Alter eher nicht nachdenkt. Ich, meine Freunde und meine Familie haben noch Jahrzehnte zu leben und daran gibt es keinen Zweifel. Doch dann passiert etwas das einen völlig aus der Bahn wirft. Wir sind nicht unsterblich.

Man muss begreifen, dass ein Mensch mit dem man zusammen im Kinderwagen saß, mit dem man aufgewachsen ist, nicht mehr da ist. Nie wieder da sein wird. Völlig unmöglich denkt man; das ist alles nur ein böser Traum, sie wird gleich zur Tür rein kommen, doch dann stürzt es über einen ein: Sie ist nicht mehr da.

Alltägliche Situationen lassen einem die Tränen kommen, es reicht wenn etwas gesagt wird das uns an die Person erinnert, ein Lied im Radio läuft das wir mit dieser Person verbinden. Ich fand es sehr schwer mit den vielen verschiedenen Gefühlen die auf einen einstürzen umzugehen. In einem Moment möchte man nur noch weglaufen, im nächsten ist man wütend auf alles und jeden und dazwischen drehen sich immer wiederholende Gedanken „was wäre wenn…“, die zu keinem Ziel führen; man denkt man ist der einzige Mensch auf der Welt dem etwas so ungerechtes passiert ist.
Das ist okay. Es wird besser werden. Je aktiver wir uns dem Gedanken der Trauer stellen, desto schneller werden wir lernen, damit umzugehen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, es gibt kein Richtig und kein Falsch.

Ich bin kein Mensch der mit anderen Menschen gerne viel über Gefühle redet, doch ich denke das ist auch in Ordnung. Das was ich ihr erzählt hätte, wenn sie noch da wäre schreibe ich auf. Ich überlege: Was hätte Sie mir geantwortet und geraten? Ich erinnere mich gerne an Sie, wie sich ihr Lachen anhörte, wie sie geredet hat. Wir reden in der Familie viel über Sie, und auch wenn es mir persönlich manchmal zu viel ist, hilft es doch den Menschen wieder ein Stück lebendig erscheinen zu lassen. Außerdem habe ich ein Bild mit einem sehr schönen und tröstenden Zitat aufgehängt das ich mir anschaue, wenn die traurigen Gedanken überwiegen:

„Ich bin von euch gegangen,
nur für einen kurzen Augenblick
und gar nicht weit.
Wenn ihr dahin kommt,
wohin ich gegangen bin
werdet ihr euch fragen
warum ihr geweint habt.“
– Laotse

Hass. Ein starkes Wort, jedoch reicht dies nicht ansatzweise aus um nachzuempfinden was Ich für die Person empfinde die dafür verantwortlich ist das so ein wundervoller Mensch nicht mehr unter uns sein darf. Bringen diese Gedanken etwas? Nein. Sie vergiften nur unseren Geist und unsere Seele, verhindern, dass wir ein guter Mensch sind mit Lebensfreude und positiver Energie. Fragen wir uns doch einmal wie würde der Verstorbene dazu stehen? Würde er wollen, dass wir nur noch solche Gedanken haben? Nein!
Verdrängen sollte man diese Gedanken sicher nicht, doch man sollte auch darauf achten, dass es kein Dauerzustand wird. Ich weiß, Sie würde wollen, dass ich weiterhin versuche das Beste aus meinem Leben zu machen, das ich glücklich bin.

Ich habe meinen Weg gefunden wie ich diese negativen Gedanken in positive Energie umwandeln kann: Ich laufe, der einfachste Sport auf der Welt. Laufschuhe an und loslaufen. Die negativen Gedanken rauslaufen, bis an seine Grenzen und darüber hinaus gehen, um hinterher ein Stück zufriedener zu sein, denn Endorphine machen bekanntlich „glücklich“.
Körperliche Betätigung jeglicher Art ist in der ersten Zeit sehr viel wert. Die Gedanken können in dieser Zeit einmal Pause machen, und der Geist hat etwas Zeit sich von dem permanenten Gedankenkarussell und dem Kopfkino zu erholen. Generell finde ich Ablenkung sehr wichtig und hilfreich. Ob ein neues Hobby, neue Projekte, in die Natur gehen oder einfach etwas Gutes tun. Verreisen fand ich persönlich sehr hilfreich, um Pause von der Situation und dem Alltag in dem alles an die Person erinnert zu bekommen und wieder durchzuatmen. Ausprobieren lohnt sich!

In einem Artikel* erzählt ein US-Navy Seal wie er andere Menschen coacht und motiviert, tatsächlich fand ich seine Gedanken sehr hilfreich und vielleicht helfen sie anderen auch: „Im Alltag sehen sich viel Menschen mit scheinbar unüberwindbaren Hindernissen konfrontiert. Doch es steckt mehr Potential in uns, als wir eigentlich denken. Denn wenn dein Verstand dir sagt, dass du erschöpft bist, dann hast du erst 40 Prozent deines Kraftpotenzials ausgeschöpft. Die eigene Komfortzone einfach mal auf den Kopf stellen.“

Ja, wir haben einen geliebten Menschen verloren und der Verlust ist und wird immer ein Teil von uns bleiben, doch in jedem Einzelnen von uns steckt so viel mehr als wir vermuten. Wir sind nicht alleine mit unserem Schicksalsschlag, es passieren täglich viele schlimme Dinge hinter denen fast immer Angehörige stehen die in das schwarze Loch fallen, in das wir fielen. Findet euch, redet miteinander, tauscht euch über eure Erfahrungen aus und lernt voneinander und geht gemeinsam diesen schweren Weg. Durchlebe deine Trauer, sie ist nötig um von den Gefühlen frei zu werden, es ist nicht „männlich“ oder „taff“ die Tränen zu unterdrücken, das muss man sich vielleicht auch erst einmal klar machen.

Tatsächlich habe ich jetzt auch nach sechs Monaten manchmal noch das Gefühl das sie nur verreist ist und bald wieder da ist. Ist das schlimm? Nö, den Gedanken, dass sie irgendwo in der Weltgeschichte rumspringt finde ich sehr schön, auch wenn es nicht mehr auf der irdischen Welt ist.

Erinnere dich an die schöne gemeinsame Zeit und bald werden die tröstenden Gedanken vielleicht schon die Überhand gewinnen? In diesem Sinne ein Motto á la Johanna: Wenn das Leben dir eine Zitrone gibt, frag nach Salz und Tequila.

* “Ein Elitesoldat verrät einen Trick, mit dem ihr jede Herausforderung meistern könnt“ (Link nicht mehr verfügbar) Huffington Post vom 27.03.2017

Gastautorin: Nadine Grziwacik

Teilen Sie diesen Beitrag